Mittwoch, 1. August 2012

Camp NaNoWriMo Tag 1

James ist Schwarzer, Polizist und Bieruntersetzer-Sammler.
Ben ist auch Polizist, viel älter und Kaffee-Trinker.

Gewohnheiten
Man gewöhnt sich nicht daran, Menschen sterben zu sehen. Man gewöhnt sich nicht an die schmerzverzerrten Gesichter, man gewöhnt sich nicht an die Schreie, die mehr von einem Tier als von einem Menschen haben, man gewöhnt sich nicht an die Augen, die matt und stumm werden und den Brustkorb, der im Ausatmen erstarrt.
Man gewöhnt sich nur schwer an tote Menschen. Man gewöhnt sich nur schwer an die bleiernen, schweigenden Löcher, die versuchen, sie zu ersetzen. Man gewöhnt sich nur schwer an Nichtmehrdasein. 
Man gewöhnt sich sehr leicht an lebende Menschen. Man gewöhnt sich sehr leicht an Nichtlöcher. Man gewöhnt sich sehr leicht an Immerdasein. 
James Smith hat sich ohne Zweifel an Ben gewöhnt, mehr sogar, als er ihm sagen würde. Er hat sich daran gewöhnt, dass er morgens, bevor er aufs Revier geht, beim Bäcker vorbeischaut und -  einen Kaffee, schwarz mit zwei Stücken Zucker, bitte. Für mich nichts, danke.
Er hat sich auch daran gewöhnt, Schweigen manchmal als Danke und manchmal als Geh mir aus der Sonne, Kleiner und manchmal als Alles wird gut zu deuten - außer, wenn Ben Kaffee trinkt, dann ist das Schweigen nur Schweigen, weil Ben ohne seinen morgendlichen Kaffee nicht einmal schweigend etwas sagen kann.
Und er hat sich daran gewöhnt, und das ist das Schlimmste, dass Ben da ist. 
Ben ist auch an diesem Tag da und trinkt schweigend seinen Kaffee und James beobachtet ihn dabei, auf dem trockenen Käsebrötchen herumkauend, das er immer Freitags kauft, obwohl es ihm längst nicht mehr schmeckt, so oft hat er es schon gegessen. 
Sie kennen sich seit zehn Jahren, drei Wochen, fünf Tagen und zwei Stunden und zehn Jahre, drei Wochen, fünf Tage und zwei Stunden, das ist genauso lange, wie James schon bei der Polizei arbeitet. Vielleicht kennt Ben James auch schon ein bisschen länger, denn er hat sich seiner damals angenommen, aber er hat nie gesagt, warum er ausgerechnet ihn ausgewählt hat und James hat nie danach gefragt.
Meistens beginnt James mit Reden, wenn Ben mit dem Kaffee fertig ist, aber manchmal schweigt er ein bisschen zu lange und dann ist das Schweigendeuten an Ben. Er lässt sich Zeit und James sortiert die Krümel seines Brötchens nach Größe, bevor er sie energisch vom Tisch wischt. 
„Ich werde nicht mehr anrufen“, sagt er und klingt dabei so bitter wie Bens Kaffee. 
Ben nickt und legt ihm eine Hand auf die Schulter und drückt, ganz kurz nur. 
„Danke für den Kaffee, Kleiner“, sagt er und das ist mehr, als er sonst sagt.
Sie stehen auf und während sie in die Garage gehen, sagt James: „Er will einen Anwalt, keinen Polizisten, das hab ich jetzt kapiert. Dazu haben die ersten fünfhundert Mal gereicht.“ Energisch zieht er die Autotür hinter sich zu. „Zumindest hab ich es geschafft, dieses elendige Kaff hinter mir zu lassen.“ Er schnaubt verächtlich. „Im Gegensatz zu ihm. Er wird dort versauern, und weißt du was? Es geschieht ihm recht.“ 

2 Kommentare:

  1. Uhh, freddie, das klingt sehr vielversprechend, finde ich! :)
    Ich bin gespannt, was daraus entsteht ;)

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    1. Ah, danke, das freut mich. :)
      *lach* Darauf bin ich auch irgendwie gespannt. :D

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