Donnerstag, 2. August 2012

Camp NaNoWriMo Tag 2

Neben ihm schüttelt Ben leicht den Kopf. „Du solltest nicht so über deinen alten Herrn reden“, sagt er und es ist nur ein bisschen ein Vorwurf. 
„Doch, genauso so muss ich über den Alten reden, genau so! Ihm passt doch schon lange nichts mehr von dem, was ich mache. Meinst du wirklich, das hier macht noch einen Unterschied?“ 
Ben schweigt, den Blick auf die Straße vor ihnen gerichtet, und diesmal heißt das Schweigen Ich weiß, dass du Recht hast, Kleiner. Denn natürlich macht es schon lange keinen Unterschied mehr, was James tut und sagt. Sein Vater ist nicht sauer wegen der Dinge, die James über ihn sagt und er ist auch nicht sauer wegen der Dinge, die er nicht sagt. Oh nein. Er ist nur enttäuscht. Und das ist schlimmer, so dass sich James manchmal fast wünscht, er wäre einfach nur wütend. Als er statt Anwalt Polizist geworden ist, mit dem Geld seines Vaters, hat er das getan, was er noch immer für richtig hält. Er hat nie einen Beruf mit zu vielen Papieren und zu wenig Leben gewollt, aber sein Vater hat das nicht verstanden. 
Er spürt Bens Blick in seiner Seite. Die eisblauen Augen sind besorgt und forschend, und sein Schweigen spricht, bevor seine Stimme es tut.
„Dein Vater ist ein guter Mann. Sein Fehler ist nur, dass er aufgehört hat, dir zu zuhören.“
James starrt ihn kurz an und weicht dann seine Finger verknotend seinem Blick aus. Ihm fällt keine Antwort ein und so ist er froh, dass das Funkgerät neben Bens Arm ihn davon befreit.
„Schießerei im West-End! Wir brauchen Sie hier!“, sagt die rauschende Stimme - James glaubt, dass es Hardy ist, aber sicher ist sich nicht - und gibt den Namen des Viertels durch. Ben gibt Gas. Unwillkürlich sucht James nach seiner Pistole und ist erleichtert, sie an seinem Gürtel zu finden. Er atmet aus.
Die Straße rauscht unter ihnen und das Schweigen erdrückt James. Er hat das Gefühl, etwas sagen zu müssen, denn er und Ben sprechen zu wenig miteinander und schweigen sich zu oft an - aber Ben, Ben kann gut schweigen und er braucht nicht mehr als das. Schweigen ist mehr seine Sprache Englisch oder Worte überhaupt. James merkt, dass er lächeln muss. Alter, schweigsamer Ben. Alter, oft so schlecht gelaunter Ben. Ben.
Auch wenn sie weniger reden, als James und sein Vater, wissen sie mehr übereinander und James schätzt ihre Gespräche, weil sie ruhig und überlegt sein können, aber auch vollkommen anders. Er weiß nicht, ob er ohne Ben noch so gerne leben würde wie jetzt.
Diesmal ohne den Kopf von der Straße abzuwenden fragt Ben: „Was?“ und James merkt, dass er ihn anstarrt. 
Kurz denkt er, dass er vielleicht einfach reden soll, über irgendetwas, darüber, dass er ein furchtbar mieses Gefühl hat, was diese verdammte Schießerei angeht, darüber, dass sie vielleicht lieber doch einfach Kuchen essen gehen, oder einen Kaffee holen sollten. 
Aber er sagt es nicht, natürlich nicht. Selbst aus seinem Mund klänge es absolut lächerlich. Und das ist es ja auch - lächerlich. Verdammt lächerlich. Lächerliches Ziehen im Bauch, lächerlich schneller Herzschlag, lächerliche Angst, die seit der Durchsage in seinem Magen Purzelbäume schlägt. Lächerlich. Sie haben zusammen schon mehr als eine Schießerei überlebt und sie werden auch diese überleben.
Er weiß nicht, warum er sich solche Sorgen macht, aber wenn er ehrlich ist, will er das auch nicht wissen. Und noch weniger will er wissen, ob sie begründet sind. 
Wenige Straßen vor dem Viertel, in das sie kommen sollen, sind die Gehwege wie leer gefegt, die Einwohner haben sich in ihren Häusern in Sicherheit gebracht. Bald hören sie erste Schüsse und James Herz stolpert eine Sekunde lang und für einen Moment spürt er das trockene Käsebrötchen von vorhin zu weit oben. 
Sie steigen aus dem Wagen und das Knallen der Türen ist schrecklich laut. In der Luft wirbelt Staub, durch den sie die Silhouetten der Schießenden sehen.
„Alles in Ordnung, Kleiner?“, fragt Ben, als er James einen Blick zuwirft, denn natürlich kann James ihm nichts vormachen. Dazu kennen sie sich viel zu lange. Für einen winzigen Augenblick ist er versucht zu sagen, was ihm zu schaffen macht, doch wenn er den Mund öffnet, huschen die Worte davon bevor es ihm gelingt sie auszusprechen.
„Natürlich“, sagt James stattdessen nur und zieht seine Pistole aus dem Holster. 
Er fühlt sich seltsam schwer und leicht zu gleich, während sie zu den Kämpfenden gehen, und die Geräusche klingen unpassend laut oder leise in seinen Ohren. 
Kurz bevor sie da sind, hört er Ben etwas rufen, aber er versteht die Worte nicht. 
„Zur Seite!“, brüllt jemand und reißt ihn von hinten nieder, als direkt neben ihm ein Gang-Mitglied angeschossen wird. Er taumelt kurz, keucht und reißt die Pistole hoch, die Arme angespannt. Um ihn herum donnern Schüsse.
Einer will sich auf einen Kollegen - Murphy - stürzen und James schießt ihm erst vor die Füße, dann in den rechten Unterschenkel. Das schmerzerfüllte Zischen hört er schon nicht mehr, er rennt, reißt einen Kriminellen von einem Polizisten herunter, zerrt ihn zu einem Polizeiwagen. Ein Kollege, den er nicht kennt, nimmt sich seiner an. 
Kugeln schlagen in die Gebäude um sie herum ein, Putz und Gestein bröckeln von den Wänden. Die Luft ist voller Staub. Er hustet. Schmutz in seinen Augen, er zielt ins Leere, an einem der Gegner vorbei. Schüsse, gebrüllte Befehle, Schreie. Hinter ihm Gebrüll, er versteht kaum Worte, dreht sich nicht um. 
Dann plötzlich Ben! Fuck, einer hat Ben getroffen! Fuck! und zuerst weiß er überhaupt nicht, was er da hört. Seine Ohren dröhnen.
Die Information dringt nur langsam vor ihn sein Gehirn. Ben wurde getroffen. Ben. Getroffen. Für einen kurzen Augenblick dreht sich die Welt noch ein Stück langsamer als sonst, so langsam, dass er Angst hat, hinunterzufallen, wenn er nicht aufpasst. Und so fühlt es sich auch an, wie Hinunterfallen von der Welt. Er ist sich sicher, dass die Schüsse um ihn herum noch immer laut sind, aber er hört sie erst wieder, als er zu Ben durch gestolpert ist. 
Bumm. Bumm. Bumm. 
Ben. Ben. Ben. 
Das ist verdammt noch mal unmöglich, denkt er und seine Gedanken brüllen durcheinander. 
Ben liegt auf dem rauen Asphalt vor ihm, rote Rinnsale aus Blut zwischen den hellen Haaren. 
„Scheiße“, sagt James, auf einmal ganz ruhig. „Verdammte scheiße.“ 

Es ist nicht so... also, sagen wir mal, man merkt diesem Teil an, um welche Uhrzeit ich ihn geschrieben habe. :) Aber ich musste das noch fertig bekommen, weil ich jetzt ungefähr das Tagesziel von gestern habe. Einiges hierin ist unrealistisch, zum Beispiel meine seltsame Schilderung einer Schießerei. Aber leider kann ich da keine persönliche Erfahrung mit einbringen - oder besser, zum Glück. Und bei James sieht man, dass ich mich was seine Charaktereigenschaften betrifft noch nicht ganz festgelegt habe. Na ja. 


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